Scham …

Andreas Ebert (Kirchberg) hat – im Vorfeld des H3-Seminars (zur Christlichen Ethik) – am Freitagabend 11.01.2019 in Unterschleißheim einen spannenden Vortrag gehalten:

  • Scham – warum sich der Mensch seiner Nacktheit schämt …‘

Das Thema mag zunächst langweiliger klingen, als es tatsächlich ist: jedenfalls reisten knapp 100 (meist) junge Leute aus mehreren Gemeinden im Großraum München – trotz winterlichen Wetterbedingungen –in den Norden Münchens. Es war so spannend, dass spontan einige Tagesgäste tags drauf das H3-Seminar verstärkten …

Ebert betonte zunächst, dass er nicht über ein negatives Schamgefühl spricht (weil man z.B. etwas Peinliches erlebt habe), sondern die biblische Scham meint, die aus der Schöpfungsordnung – genauer gesagt mit der Setzung Gottes nach dem Sündenfall – begründet wird. Belegtext ist auch hier der Basistext der Bibel:

Dies ist die Entstehungsgeschichte des Himmels und der Erde, (…) als sie geschaffen wurden. Darum wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen und seiner Frau anhängen, und sie werden zu einem Fleisch werden. Und sie waren beide nackt, der Mensch und seine Frau, und sie schämten sich nicht. (1Mos 2,4a.24-25)

(…)

Und die Frau sah, dass der Baum gut zur Speise und dass er eine Lust für die Augen und dass der Baum begehrenswert war, Einsicht zu geben; und sie nahm von seiner Frucht und aß, und sie gab auch ihrem Mann bei ihr, und er aß. Da wurden ihrer beider Augen aufgetan, und sie erkannten, dass sie nackt waren; und sie hefteten Feigenblätter zusammen und machten sich Schurze. (1Mos 3,6-7)

Zwischen beiden Texten, die die Nacktheit positiv und negativ beschreiben, liegt bemerkenswerter Weise der Sündenfall. Im Paradies war die Nacktheit (oder eine diesbezügliche ‚Scham‘) kein Thema. Im Zustand des ‚verlorenen Paradieses‘ ist Nacktheit hingegen – im gesellschaftlichen Alltag – nicht mehr der Normalzustand. Und selbst wenn man es versucht, bringt es das Paradies nicht mehr zurück …

Interessanter Weise findet sich das Bewusstsein für die Notwendigkeit von Kleidung in nahezu allen Kulturen (wenn auch die Art der ‚Bedeckung‘ unterschiedlich und bisweilen knapp ausfällt). Mindestens ist auch bei relativer Nacktheit kulturell definiert wo man hinschauen darf und wo nicht …

Dabei ist auffallend, dass im biblischen Text kein ‚Gebot‘ bzgl. Scham und Nacktheit vorliegt; vielmehr ist von einer ‚Ordnung‘ (Setzung, Mandat) Gottes auszugehen, wie wir es auch aus der Schöpfung ableiten: Mann- und Frau-Sein, Ehe, usw. – und eben hier auch: ‚Nacktheit‘. Auch ist das mit dem Sündenfall verbundene Schamgefühl keine Folge der ‚Strafe Gottes‘ (die kommen erst in Kap. 3,14 ff) – vielmehr ist der Sinn des (seitdem angeborenen) Schamgefühls die Schutzbedürftigkeit des Menschen, gerade im Zusammenhang mit dem verwandten Thema Sexualität (Missbrauch).

Im zweiten Teil ging der Referent auf die Frage, ein wie sich – im christlichen Kontext – im Idealfall eine Paarbeziehung anbahnt: was passiert, wenn sich zwei Leute lieben lernen und allmählich näherkommen? Der Vortrag und die anschließenden Gespräche waren für die Mehrzahl der jungen Besucher also gut geeignet, die das Thema Partnerschaft und Ehe ggf. noch vor sich haben …

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Andreas Ebert (Jahrgang 1955), ist Gemeindereferent der Brüdergemeinden und war lange Zeit Leiter der „Bibelschule Burgstädt“ (heute: https://www.dein-jahr-unterwegs.de/)

Exkurs: Insgesamt ist der gesamte Kontext (Nacktheit, Sexualität) wieder mal ein sehr aktuelles Thema: neben anderen wies Michael Kotsch (Bibelbund) in den sozialen Medien auf die heftige gesellschaftliche Diskussion zur ‚Nashville Erklärung‘ in den Niederlanden hin: „Dabei geht es in dem Papier weder um eine gesamtgesellschaftliche Forderung noch um den Versuch, säkular gesinnte Menschen zu zwingen, nach biblischen Maßstäben zu leben.“

Die 14 Punkte umfassende „Nashville Erklärung“ umfasst folgende Aussagen:

1. Gott ist für Ehe zwischen einem Mann und einer Frau, 2. Sexualität hat ihren Platz in der Ehe, 3. Gott hat den Menschen unterschiedlich als Mann und Frau geschaffen, 4. Es tut dem Menschen gut, die von Gott gewollten Unterschiede zwischen den Geschlechtern zu beachten, 5. Im Normallfall entspricht das biologische Geschlecht auch dem sozialen, 6. Auch sexuell uneindeutige Menschen verfügen über die ganze Würde als Geschöpfe Gottes, 7. Gender-Ideologie stimmt nicht mit dem Willen des Schöpfers überein, 8. Wer homosexuell empfindet, kann als erfüllter Christ leben, 9. Sexuelle Wünsche widersprechen manchmal dem guten Konzept Gottes, 10. Die Befürwortung unbiblischer Modelle von Sexualität ist Sünde, 11. Christen sind verpflichtet auch in sexuellen Fragen wahrhaftig miteinander zu sprechen, 12. Sexuelle Sünden können vergeben werden, 13. Gott kann sexuelle Orientierungen verändern, 14. Sündenvergebung ist für alle Menschen offen, die das wollen.

 

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