Warum eine Verankerung in der gemeindlichen Tradition für junge Menschen wichtig und schwierig ist

Was du ererbt von deinen Vätern hast, erwirb es, um es zu besitzen [1]

Mit 13-14 Jahren drehte ich als kleiner Revoluzzer in der 7. Klasse eine Ehrenrunde. Gleichzeitig beschäftigte ich mich in der Bibliothek meines Vaters mit Büchern und Artikeln zur Gemeindefrage. Aufgewachsen in der (geschlossenen) Brüderbewegung trieb mich die Frage um, warum wir von anderen Christen getrennt waren – und dass, obwohl die „Väter“ der Bewegung beanspruchten, sich auf den „Boden der Einheit“ zu versammeln … – Was hatten die oft zitierten Begründer unserer Bewegung tatsächlich gelehrt? Wie kamen sie dazu – und vor allem: hatten sie darin Recht?

Nachdem ich mich mit 19 Jahren sehr bewusst „bekehrt“ hatte und beim neu gegründeten Verlag CLV (https://clv.de/) auf der Buchmesse aushalf, legte ich mir eine kleine Bibliothek an und stürzte mich in Biografien zur Brüderbewegung. Auf den ebenfalls Anfang der 80-iger begonnenen „Studierfreizeiten“ im Freizeitheim Schoppen[2] lauschten wir den Referenten, die uns ein Idealbild von Gemeinde und eine verklärte Vision der ersten Generation von „Brüdern“ vor Augen malten.[3]

Als jemand, der abgeschlossen von anderen Christen in der 4. Generation der Brüderbewegung aufwuchs, kam ich zu der bahnbrechenden Erkenntnis, dass die Brüderbewegung auch aus einem Anliegen für die „Einheit der Kinder Gottes“ entstanden war … – zu Tränen gerührt verstanden wir die Schönheit und innere Weite des neutestamentlichen Entwurfs von universeller und örtlicher Gemeinde:

Eine Gemeinschaft, die sich wöchentlich um den erhöhten Herrn sammelt, um an Ihn zu denken, Ihn gemeinschaftlich anzubeten und an Seinem „Tisch“ die Gemeinschaft des Volkes Gottes zu zelebrieren sowie auf sein Wort zu hören, um dann erneut an Seiner Sendung in die Welt teilzunehmen, … – das wurde für uns zum Herzstück örtlicher Gemeinde.

 

Bei aller zeitgemäßen Anpassung ist mir diese „Natur“ von Gemeinde bis heute eine beständige Kraftquelle geblieben – ja wir haben unser „Erbe“ auf Herz und Nieren geprüft und – trotz vieler Probleme – das Gute behalten. So „erwirbt“ man, was einem eh schon gehört: man verliebt sich neu in die Gemeinde als „Braut Christi“ – trotz all‘ Ihrer Runzeln …

 

I. Warum die Verankerung in der eigenen Tradition wichtig ist (Uwe)

Ohne beständige Bereitschaft zur Anpassung der Ausdrucksformen, bleibt man auf Dauer nicht bibeltreu und ohne feste Verankerung in der biblischen Lehre ist man von Anfang an nicht bibeltreu.

Junge Menschen in unseren Gemeinden brauchen sowohl die kritische Auseinandersetzung mit, als auch die positive Verankerung in, Ihrer gemeindlichen Tradition, um gemeinsam mit der Gemeindeleitung und unter Berücksichtigung der älteren Geschwister berechtigte Veränderung in den Ausdrucksformen dieser Überzeugungen angehen zu können.

Brüdergemeinden haben z.B. als prägendes Merkmal ein wöchentliches Abendmahl: das ist sicher eine ihrer Grundüberzeugung. Viele Gemeinden haben aber auch zwischen der Mahlfeier und dem Predigtgottesdienst (der „zweiten Stunde“) eine „Kaffeepause“:

Während das regelmäßige Brotbrechen eine biblische Maßgabe ist, gilt das nicht für die Kaffeepause und den zweiteiligen Gottesdienst … – Kaffee kann auch nach dem Gottesdienst gereicht werden. – Mahlfeier und Predigt können auch in einem Gottesdienst integriert werden (oder die Mahlfeier wird in den Abend verlegt, etc.).

Wichtig ist jedoch, dass der Kernwert erhalten bleibt: Gottes Volk trifft sich regelmäßig, um an den Herrn zu denken und auf Ihn zu hören (die Form darf sich ändern).

 

Drei Gründe für die notwendige Verankerung in der eigenen Tradition

  1. Man muss wissen, wo man herkommt, um bibeltreu zu bleiben

Nur, wer weiß wo er herkommt, kann den „Filter“ mit dem er die Bibel liest, erkennen – und so möglichst nah an Gottes Wort herankommen. Wer behauptet, per se „bibeltreu“ zu sein, ohne sich bewusst zu sein in einer (offenen) Brüdergemeinde aufgewachsen zu sein, wird entweder seine gemeindliche Tradition mit „Bibeltreue“ gleichsetzen oder sich von dieser „Bibeltreue“ abwenden (d.h., seine gemeindliche Tradition verlassen)

Im „Münchner Leiter-Wochenende“ (2010) sagte einer der Anwesenden der ersten Generation (Klaus Giebel, Karlsfeld):

Wir waren Anfang 20 Jahre, hatten keine Ahnung und haben Gemeinde gebaut (…). Dabei wollten wir ganz ohne Traditionen einfach nur „bibeltreu“ sein und haben erst Jahre später realisiert, dass wir die „Scofield-Bibel“ benutzten …

 

Will sagen: man sollte seine (unbewussten) Prägungen offenlegen. Nur so kann man sich selbst in die große Geschichte einordnen, bzw. auch von Dritten eingeordnet werden. William MacDonald verortet z.B. seinen Kommentar zum NT, in folgenden hermeneutischen Kontext:

Dieser Kommentar zum Neuen Testament ist ein konservativer, protestantischer Kommentar, der prämillenialistisch ausgerichtet ist.[4]

 

In Kenntnis dieser (nicht so schlechten) „Brille“ kann man neu ringen, Gottes Wort zu hören.

 

  1. Man muss die großen Themen kennen, um mit Dritten zu kooperieren

Nur, wer die eigene Tradition / Lehrauffassung in seinen großen Linien kennenlernt (und wertschätzt), kann mit anderen ohne Berührungsängste in einen Austausch treten und ggf. zusammenarbeiten.

Dabei müssen wir als Gemeindeleitung klar kommunizieren, was die erstrangigen und was zweit- und drittrangige Themen sind. Innerhalb einer Gemeinde braucht es auch in zweitrangigen Themen eine gemeinsame Linie. In der Zusammenarbeit mit Dritten ist eher die Konzentration auf die wesentlichen Themen wichtiger.

Haben wir in unseren Gemeinden eine Differenzierung bzgl. der uns prägenden Lehren, oder sind alle unsere gemeindlichen Überzeugungen an gleicher Stelle verortet, wie die heilsnotwendigen Inhalte: die Gottheit Jesu und sein Sühnetod? Jesus selbst differenzierte:

… ihr verzehntet die Minze und den Dill und den Kümmel und habt die wichtigeren Dinge des Gesetzes beiseitegelassen: das Recht und die Barmherzigkeit und den Glauben; diese hättet ihr tun und jene nicht lassen sollen. Ihr blinden Führer, die ihr die Mücke seiht, das Kamel aber verschluckt! (Matth 23,23-24)

 

Wer in seiner Jugend nicht gelernt hat, die Bedeutung des Kreuzes vom Wert eines Liederbuchs zu unterscheiden, wird sich selbst innerhalb der eigenen Gemeinden schwer tun in einem Team zu arbeiten, geschweige denn in übergemeindlichen Projekten mitzuwirken.

 

  1. Man braucht eine gemeinsame Basis, um notwendige Veränderungen zu etablieren

Nur, wenn junge Menschen in unseren Gemeinden, in den Kernwerten zu Gemeinde und Gottesdienst zu Hause sind und sie – nach kritischer Prüfung – von Herzen teilen, können wir diese Überzeugungen 200 Jahre nach Entstehung der Brüderbewegung gemeinsam in eine neue Ära führen, ohne uns entlang der Generationen zu spalten.

Die Identifizierung mit unserer Bewegung kann dabei in den meisten Fällen nicht aus Büchern nahegebracht werden. Sie muss für unsere Jugendlichen erfahrbar werden. Und hier ist die Anfrage an unsere Gemeindesituation, ob man bei uns erleben kann, was Paulus in 1Kor 14 sagt: „… dass Gott wirklich unter euch ist?“:

Wenn nun die ganze Gemeinde zusammenkommt (…) und irgendein Ungläubiger oder Unkundiger kommt herein, so wird er von allen überführt, von allen beurteilt; das Verborgene seines Herzens wird offenbar, und so wird er auf sein Angesicht fallen und wird Gott anbeten und verkündigen, dass Gott wirklich unter euch ist. (1Kor 14,23-25)

 

Wenn man auch in „unseren“ Gemeinden, trotz ihres eher schlichten Gottesdienstes[5], Herzens-Begegnung mit dem Auferstandenen erlebten kann:

  • wenn junge Menschen realisieren, dass wir Älteren Jesus von Herzen liebhaben,
  • und wenn Ältere sich trauen, diese Liebe in persönliche Worten auszudrücken, …
  • dann kann gemeindliche Identität auch unter der Jugend wachsen

Dann kann auf Grundlage von gemeinsamen Kernwerten sinnvolle Veränderung angegangen werden. Ohne diese gemeinsamen Grundlagen erfasst zu haben, wird die Jugend – auch trotz erzwungener Veränderung – abwandern …

 

Form follows function

Dabei ist es wahrscheinlich so, dass nicht alle biblischen Inhalte in beliebige neue Formen ausgedrückt werden können? Zumindest bleibt es beständige Herausforderung, zu erkennen, wo eine progressive Form ggf. den biblischen Inhalt durchstreichen könnte.

Paulus legt jedenfalls Wert darauf, dass er nicht mit menschlichen Mitteln (Form) seine Predigt (Inhalt) an den Mann brachte, bzw. verfälschte:

Und ich war bei euch in Schwachheit und mit Furcht und in vielem Zittern; und meine Rede und meine Predigt bestand nicht in überredenden Worten der Weisheit, sondern in Erweisung des Geistes und der Kraft, damit euer Glaube nicht auf Menschenweisheit, sondern auf Gottes Kraft beruht. (1Kor 2,3-5)

Darum, da wir diesen Dienst haben, weil wir ja Erbarmen gefunden haben, ermatten wir nicht; sondern wir haben den geheimen Dingen, deren man sich schämen muss, entsagt und wandeln nicht in Arglist, noch verfälschen wir das Wort Gottes, sondern durch die Offenbarung der Wahrheit empfehlen wir uns jedem Gewissen der Menschen vor Gott. (2Kor 4,1-2)

 

II. Warum die Auseinandersetzung mit der eigenen Tradition besonders für junge Menschen schwierig ist (Lukas)

Die Auseinandersetzung mit der Tradition der Gemeinde ist für junge Menschen besonders wichtig. Auch für sie gilt, dass sie erst dadurch verstehen können, was „Bibeltreue“ ist, wie man mit anderen Gruppen und Gemeinden kooperieren und was eine Basis für notwendige Veränderungen sein kann.

Allerdings ist die Herausforderung sich auf gute Art und Weise mit ihrer Tradition zu beschäftigen für junge Menschen größer als für die ältere Generation. Gerade wenn man auf der Suche nach der eigenen Identität ist und versucht seine eigenen Überzeugungen zu festigen ist es verlockend sich an einfache Antworten zu klammern und unreflektiert mit der eigenen Tradition umzugehen.

 

Junge Menschen fallen dann oft in eines von zwei Lagern.

Manche überhöhen die Tradition ihrer Gemeinde so sehr, dass die eigene Tradition nicht mehr verhandelbar wird und „Bibeltreue“ zur Systemtreue wird. Das ist durchaus nachvollziehbar. An den Überzeugungen festzuhalten, die man vielleicht schon mit der Muttermilch aufgesogen hat, kann sehr identitätsstiftend sein und eine tiefe Sicherheit vermitteln „richtig“ zu liegen. Von klein auf hat man gelernt, wie eine bestimmte Bibelstelle zu verstehen ist oder wie bestimmte Lebensstilfragen zu beantworten sind. Zwangsläufig wird man sein Leben entlang dieser Antworten ausrichten. Dieses Lebens-Fundament dann kritisch zu reflektieren, kann sehr beängstigend sein. Man hinterfragt nämlich nicht nur die eigene Tradition, sondern auch die eigene Identität.

Andere nehmen ihre Tradition jedoch als so einschränkend und schädlich wahr, dass sie sie einfach unbeachtet abstreifen. Gerade wenn eine scheinbar willkürliche Tradition der Grund ist, warum übergemeindliche Einheit nicht gelebt, oder Streit in der Gemeinde verursacht wird, haben junge Menschen wenig Interesse daran, ihre Tradition festzuhalten. Auch das ist nachvollziehbar. Tradition kann sehr wohl in die Enge führen und so gelebt werden, dass die Schattenseiten Überhand nehmen.

 

Am Ende gehen beide Haltungen unreflektiert und unweise mit ihrer eigenen Tradition um (Spr. 14,8). Sie müssen damit langfristig Schiffbruch erleiden. Deswegen ist es für junge Menschen so wichtig, sich auf eine gute Art und Weise mit ihrer Prägung zu beschäftigen.

 

Wie eine gute Auseinandersetzung gelingen kann

Eine gute Auseinandersetzung braucht intensiven Austausch über die Generationen und unterschiedlichen Gruppen hinweg. Ich bin sehr dankbar für mein Umfeld, in dem intensiv diskutiert und gerungen wird. Es gibt unter der jüngeren Generation kaum ein größeres Thema, als über unsre persönliche Prägung und die Prägung unserer Gemeinden zu reden. Die Bereitschaft der Älteren mit uns offen über solche Themen zu reden ist ebenfalls oft gegeben. Auch sind die Beziehungen meist eng genug, sodass man auch mit Menschen der eigenen Generation, die anders denken diskutieren kann. Ich halte diesen Austausch innerhalb und zwischen den Gruppen für absolut grundlegend.

 

Trotz dieser guten Grundvoraussetzungen sehe ich Herausforderungen für die junge Generation. Man kann schnell viel reden und doch wenig Verständnis schaffen. Das Ziel muss sein, ein tiefes Verständnis und eine hohe Wertschätzung in Bezug auf die Sache und in Bezug auf die beteiligten Menschen zu bekommen.

 

  1. Verständnis und Wertschätzung in der Sache

Diejenigen, die gerne schnell nach vorne preschen und die Tradition lieber heute als morgen reformieren würden, stehen in der Gefahr den verborgenen guten Wert ihrer eigenen Tradition zu verpassen und den Schatz nicht zu heben. Es ist leicht, einfach zu benennen, warum eine Gemeinde zu einer bestimmten Überzeugung gekommen ist, aber das allein ist noch kein Verständnis und auch keine Wertschätzung.

Ich will das an dem (oben zitierten) Beispiel deutlich machen: Es ist leicht zu sagen, dass Brüdergemeinden eine Anbetungsstunde haben, weil sie die Starrheit geleiteter Gottesdienste ablehnten oder weil ihnen die Beteiligung der Gemeinde wichtig war. Das wäre nicht falsch, aber es gilt den guten und schönen Wert auszugraben, der dazu geführt hat, dass Brüdergemeinden diese Gottesdienstform für sich entdeckt haben. Wie Gott auf schöne Weise groß gemacht wird, wenn unterschiedliche Charaktere unterschiedlichste Facetten Gottes herausstellen; wie tatsächlich eine gemeinschaftliche Anbetung entstehen kann, an der sich die ganze Gemeinde beteiligt; wie wertvoll es Jesus ist das Abendmahl mit uns zu teilen und wie nah wir an seinem Herzen sind, wenn wir es ins Zentrum unserer Anbetung stellen.

Diese guten Werte zu entdecken ist gerade dann besonders schwer, wenn die Anbetungsstunde zäh und träge ist, wenn die Beiträge in keiner Weise Gott groß machen und wenn die Freiheit des Formats nur auf dem Papier existiert. Es ist so wichtig, trotzdem diese Herausforderung anzugehen, um Dinge auf gute Art und Weise verändern zu können; aus einer Haltung des tiefen Verständnisses und der hohen Wertschätzung gegenüber dem echten Wert der eigenen Tradition heraus.

 

Auf der anderen Seite sind diejenigen, die gerne auf der Bremse stehen, weil sie sich in ihrer eigenen Tradition heimisch fühlen. Sie stehen in Gefahr ihre Tradition nur oberflächlich wertzuschätzen, da sie übersehen, wo auch echter Schaden entstanden ist oder Ziele verfehlt werden. Mängel wahrzunehmen, gehört ebenfalls zum Verständnis einer Sache. So wie es wichtig ist, die Schönheit einer Anbetungsstunde zu entdecken ist es auch wichtig zu verstehen, wie ihre freie Form von dominanten Figuren missbraucht werden kann; wie vermeintliche Offenheit am Ende doch nur eine lähmende Liturgie der Gewohnheit schafft und dass emotionale Faulheit und mangelnde Qualität Gott eben nicht groß macht.

Das an sich heranzulassen kann sehr schmerzhaft sein. Ein blindes Festhalten an den Traditionen, die einem lieb geworden sind, verhindert allerdings eine gesunde Aufarbeitung und die Möglichkeit einen besseren Weg zu ergreifen.

 

  1. Verständnis und Wertschätzung gegenüber den Menschen

Diejenigen, die gerne nach vorne preschen, tun sich schwer damit nachzuvollziehen, warum für Traditionalisten bestimmte Themen so emotional wichtig sind. Manchmal so wichtig, dass selbst logische Argumente keine Einsicht bewirken. Hier sind wir gefordert über ein Verständnis in der Sache hinauszugehen und unseren Bruder zu verstehen. Warum sind die alten Lieder so emotional wertvoll für ihn; welche Sorge macht er sich über die möglichen Veränderungen; was würde man in seinen Augen verlieren.

Unsere Nächstenliebe fordert es ein, die Emotionen des anderen nachzuempfinden und nicht einfach über die Empfindsamkeit des Gegenübers hinwegzugehen. Das ist ein echter Wert und notwendig zum Erhalten der Einheit. Wer sich verstanden weiß ist in aller Regel auch bereit über Veränderungen zu reden.

 

Gleiches gilt für diejenigen, die lieber fest an ihrer Tradition hängen. Oft wird die Verantwortung sich auf die anderen einzulassen nur denen zugeschoben, die etwas verändern wollen. Allerdings stehen die „Bremser“ in der gleichen Verantwortung. Auch sie müssen wirklich verstehen, warum der Gegenseite Veränderung so wichtig ist und was sie damit Gutes erreichen wollen. Um bei dem (billigen) Beispiel mit den Liedern zu bleiben ist es notwendig zu verstehen, warum die Musik und Sprache alter Lieder von der Lebenswirklichkeit junger Leute so weit weg ist; welchen Wert Emotion in der Anbetung haben kann; warum Authentizität auch in der Anbetung so wertgeschätzt wird.

Dieses gegenseitige Verständnis für die guten und schädlichen Elemente der eigenen Tradition sowie für die Menschen, die damit verbunden sind, schafft erst die Basis, auf der man um den gemeinsamen Weg ringen kann. Denn dann wird über Werte geredet und nicht über oberflächliche Formen. Dann kann man in einem guten Miteinander Veränderung bewirken.

 

Es gilt Form und Inhalt zu unterscheiden

In den Inhalten gilt es wertkonservativ zu bleiben, während sich die Form anpassen kann:

  • ohne Ersteres verliert sich die örtliche Gemeinde in ein gesichtsloses Einerlei,
  • ohne Letzteres wird sie zu einer sterbenden Gemeinde, mit der Außenwahrnehmung einer Sekte

 

Die besonderen Inhalte der Brüderbewegung sind wertvoll genug, sie auch als zukünftige Merkmale zu bewahren: ein heilsgeschichtliches Schriftverständnis, „das Zusammenkommen“ der Gemeinde (um Gott anzubeten und auf sein Wort zu hören), der Wert des Abendmahls, die Betonung des Priestertums aller Gläubigen, die plurale Gemeindeleitung.

 

Uwe Brinkmann (* 1962),
Lukas Brinkmann (1995),
Unterschleißheim b. München


 

Anmerkungen:

Bildnachweis: https://pixabay.com/de/photos/kirche-kathedrale-architektur-b%C3%A4nke-3481187/

[1] Dieser Artikel erschien in gekürzter Form als „Junge Menschen zwischen Tradition und 21. Jahrhundert“ in: Oliver Last, „Die Brüderbewegung – ihre Geschichte, Werte und Zukunft“ (Christl. Jugendpflege e.V.: Basdahl, 2025 – beta-version), Seite 16-21.

[2] Gemeint ist das „Freizeithaus Schoppen“ (https://www.schoppen.org/), das damals von Wolfgang und Ulla Bühne geleitet wurde.

[3] Allen voran der Bibellehrer Alois O. Wagner (24.02.1953 – 25.01.2025) aus München, der mich im Juli 1985 getauft hatte – auch wegen seinem Einfluss bin ich im Okt. 1987 nach München gezogen.

[4] William MacDonald, Kommentar zum NT (20218), Seite 10

[5] geradezu programmatisch für “Brüdergemeindler”; vgl. Ralph Shallis: „the simplicity of Christ“ (2Kor 11,3)